Christ My Song - 1978
Dort zieht ihr goldnen Sterne - Nach einem Gespräch unterm Sternenhimmel (Meta Heusser-Schweizer/
Johannes Thomas Rüegg)
Nach einem Gespräch unterm Sternenhimmel.
(1823.)
1. Dort zieht ihr goldnen Sterne,
wie folgt ich euch so gerne,
so kühn, so frei und groß!
In lichten Strahlenkränzen
die Welten zu beglänzen,
o welch ein göttlich schönes Los! PDF - Midi
2. Da schlägt auf einmal wieder
mich der Gedanke nieder,
wie klein und arm ich bin.
Was mag im All der Welten
ein fallend Blättlein gelten?
Es wird, und welkt, und fällt dahin.
3. Wozu ist mir gegeben
dies namenlose Streben?
Wie fasst mein kleiner Geist
in seinen engen Schranken
den ewigen Gedanken,
den ihr der Welten Schöpfer heißt?
4. Ich freute gern mich seiner,
der ganzen Welt und meiner,
doch find ich nicht die Spur;
und eine bange Frage
von Schmerz und Todesklage
durchzieht die blühende Natur.
5. Wie Trost aus Engelsmunde
erscholl mir früh die Kunde:
dass, der im Himmel thront,
einst kam uns zu erlösen,
uns kund zu tun sein Wesen,
und unter Menschen hier gewohnt.
6. Verkleidet in die Hülle
der Armut, klein und stille,
erduldend Erdennot;
doch lauter Lieb und Wahrheit,
den Geist voll Himmelsklarheit,
ein Menschensohn und doch ein Gott;
7. dass er das reinste Leben
zum Opfer hingegeben
für der Gefallnen Schuld,
sie mit dem Unsichtbaren,
dem sie so ferne waren,
versöhnt in ewger Lieb und Huld.
8. In solchem reinen Bilde
erscheint mir nah und milde,
der Welten schafft und lenkt;
da darf ich zu ihm schauen
und freudig ihm vertrauen,
dass er auch mein im Staube denkt.
9. Der Himmel steht mir offen
und löst in süßes Hoffen
des Daseins Rätsel auf;
das Morgenrot der Gnade
beleuchtet meine Pfade
und zieh den Blick zum Licht hinauf.
10. Den süßen Kinderglauben,
sie wollen ihn mir rauben,
die Weisen meiner Zeit. –
So raubet ohn Erbarmen
den Wanderstab dem Armen,
die Hand, die keinen bessern beut.
11. Sie wollen mir es wehren,
den Menschensohn zu ehren
als meines Lebens Gott;
das liebende Verlangen,
ihn ewig zu umfangen,
ist ihrer stolzen Seele Spott.
12. Was wollt ihr mir denn geben
für das entrissne Leben?
Wie stärkt und tröstet ihr?
Den Gott des weichen Herzens,
Vertrauten jedes Schmerzens,
ersetzt kein kaltes Wissen mir.
13. Er gibt dem Herzen Frieden,
weist mir den Pfad hienieden
ins ewge Vaterhaus, –
begeistert mich, zu lieben,
das Gute still zu üben,
und söhnt mit dem Geschick mich aus;
14. erquickt im dunklen Tale
mich mit dem Morgenstrahle,
der hell dem Glauben lacht:
dass einer einst gekommen,
des Todes Arm entnommen,
der ewges Leben uns gebracht.
15. Sollt ich im Tal des Wähnens,
des ungestillten Sehnens,
wo jeder ahnt und träumt,
und alle irre gehen,
den Rettungsstrahl verschmähen,
in dessen Licht mein Hoffen keimt?
16. O nein! die große Seele,
die rein von jedem Fehle,
verzeihend Mord und Spott,
versöhnend Tod und Leben,
sich liebend hingegeben:
die große Seele ist mein Gott!
Meta Heusser-Schweizer, Gedichte, 1898, 9-13.