Christ My Song - 1614
O Gottes Lamm! mein Element
(Ernst Gottlieb Woltersdorf/Johannes Thomas Rüegg)
O Gottes Lamm! mein Element.
1. O Gottes Lamm! mein Element
ist einzig dein Erbarmen;
dein Herz, das zu mir wallt und brennt
mit offnen Liebesarmen;
dein Blut, wie es am Kreuze floss,
und alle Welt mit Heil begoss! PDF - Midi
2. Ich weiß von keinem andern Trost,
ich müsst in Sünden sterben.
Der Feind ist wider mich erbost;
die Welt will mich verderben;
mein Herz ist unrein, blind und tot;
o tiefes Elend! große Not!
3. Die eigene Gerechtigkeit,
das Tun der eignen Kräfte
macht mir nur Schand und Herzeleid,
verzehrt die Lebenssäfte.
O nein, es ist kein andrer Rat,
als der, den dein Erbarmen hat!
4. Wie wohl, o Gott, wie wohl ist mir,
wenn ich darein versinke,
o Lebensquell, wenn ich aus dir
Trost und Erquickung trinke,
wenn dein Erbarmen mich bedeckt,
und wenn mein Herz Vergebung schmeckt!
5. Da lebt mein Geist, ist froh und satt,
hat alles, was ihm fehlet.
Bald aber wird er kalt und matt,
wenn er sich selber quälet,
wenn dein Erbarmen ihm entgeht,
und er auf fremdem Grunde steht.
6. Drum bleibe du mein Element,
du selbst, und dein Erbarmen!
Und wie mein Glaube dich erkennt,
so kenne du mich Armen!
Ich leb in deiner Gnad allein;
ich will in dir erfunden sein.
7. Das Element der armen Welt:
Stolz, Geiz und Fleischeslüste,
und was sie sonst für wichtig hält,
das ist mir dürr und wüste,
das ist mir Galle, Gift und Pein:
dein Heil ist ewig süß und rein!
8. Mein erster Atem, den ich zieh,
wenn ich vom Schlaf erwache,
ist dein Erbarmen, und die Müh,
die ich dir täglich mache,
und die du schon auf mich gewandt,
seit deine Lieb am Kreuz gebrannt.
9. Wenn ich von meinem Bett aufsteh,
so tret ich ins Erbarmen;
und wenn ich bald gen Himmel seh,
mein Himmel ist Erbarmen!
Und wenn ich kniee fällt mein Sinn,
o Gott, in dein Erbarmen hin!
10. Ich wasche mich, Immanuel,
in Gnade und Erbarmen;
in dir erschein ich rein und hell;
mein Kleid ist dein Erbarmen.
Ich ess und trinke diese Kost;
Erbarmen ist mein Brot und Most.
11. Ich sitz und geh, und was ich tu,
so tu ich's im Erbarmen.
Mein Fels, mein Grund und meine Ruh,
mein Ziel ist dein Erbarmen!
Es ist mir Führer, Licht und Kraft,
mein Wohnhaus in der Pilgerschaft.
12. Leg ich des Abends mich zur Ruh,
mein Bett ist dein Erbarmen;
das reicht auf allen Seiten zu!
Es wärmt mich dein Erbarmen.
In diese Decke hüll ich mich;
wie sanft, wie süße schläft es sich!
13. Erwach ich in der stillen Nacht,
so lieg ich im Erbarmen;
wenn mich die Unruh schlaflos macht,
so wiegt mich dein Erbarmen.
Erschreckt mich Traum und Finsternis:
Erbarmen leuchtet mir gewiss!
14. Ja, bis ins Grab und vors Gericht
begleitet mich Erbarmen;
von Tod und Hölle weiß ich nicht;
mein Leben heißt Erbarmen!
Hierin beschließ ich auch den Lauf,
und fahre sterbend zu dir auf.
15. Und wenn ich vor dem Throne bin,
dein Anschaun zu genießen,
so reißt mich dein Erbarmen hin,
im Loben zu zerfließen.
Du bist's, für den mein Herz entbrennt,
du bleibst mein ewges Element!
Ernst Gottlieb Woltersdorf, in: Johann Peter Lange, Deutsches Kirchenliederbuch, 1843, Lied 489.