Christ My Song - 1703
Du bist ein Mensch, das weißt du wohl
(Paul Gerhardt/Johannes Thomas Rüegg)
Du bist ein Mensch, das weißt du wohl.
1. Du bist ein Mensch, das weißt du wohl;
was strebst du denn nach Dingen,
die Gott der Herr alleine soll
und kann zuwege bringen?
Du fährst mit deinem Witz und Sinn
durch so viel tausend Sorgen hin,
und denkst: wie will's auf Erden
doch endlich mit mir werden? PDF - Midi
2. Es ist umsonst; du wirst fürwahr
mit allem deinem Dichten
auch nicht ein einzges kleines Haar
in aller Welt ausrichten.
Es dient dein Gram sonst nirgends zu,
als dass du dich aus deiner Ruh
in Angst und Schmerzen stürzest
und selbst dein Leben kürzest.
3. Willst du was tun, was Gott gefällt
und dir zum Heil gedeihet,
wirf deine Sorgen auf den Held,
den Erd und Himmel scheuet,
und gib dein Leben, Tun und Stand
nur fröhlich hin in Gottes Hand,
so wird er deinen Sachen
ein fröhlich Ende machen.
4. Wo war dein Herz, Will' und Verstand,
da sich des Himmels Decken
erstreckten über See und Land
und aller Erden Ecken?
Wer brachte Sonn und Mond herfür?
Wer machte Kräuter, Bäum' und Tier',
und hieß sie deinen Willen,
nach Herzenslust erfüllen?
5. Heb auf dein Haupt, schau überall
hier unten und dort oben,
wie Gottes Sorg auf allen Fall
für dich sich hat erhoben.
Dein Brot, dein Wasser und dein Kleid
war eher noch als du bereit't
und Gottes Liebe hegte
dein Bild, bis sie es prägte.
6. Und dennoch soll dein Angesicht
dein ganzes Leben führen,
du traust und glaubest weiter nicht,
als was dein' Augen spüren;
was du beginnst, da soll allein
dein Kopf dein Licht und Meister sein;
was der nicht auserkoren,
das hältst du für verloren.
7. Nun siehe doch, wie viel und oft
ist schändlich umgeschlagen,
was du gewiss und fest gehofft
mit Händen zu erjagen.
Hingegen, wie so manches Mal
ist doch geschehn, was überall
kein Mensch, kein Rat, kein Sinnen
sich hat erdenken können!
8. Wie oft bist du in große Not
durch eignen Willen kommen,
da dein verblend'ter Sinn den Tod
fürs Leben angenommen?
Und hätte Gott dein Werk und Tat
ergehen lassen nach dem Rat,
in dem du's angefangen,
du wärst zu Grund gegangen.
9. Der aber, der uns ewig liebt,
macht gut, was wir verwirren;
erfreut, wo wir uns selbst betrübt,
und führt uns, wo wir irren;
und dazu treibt ihn sein Gemüt
und seine reine Vatergüt',
in der uns arme Sünder
er trägt als seine Kinder.
10. Ach, wie so oftmals schweigt er still,
und tut doch, was uns nützet;
da unterdessen unser Will'
und Herz in Ängsten sitzet,
sucht hier und da und findet nichts,
will sehn und mangelt doch des Lichts,
will aus der Angst sich winden
und kann den Weg nicht finden.
11. Gott aber gehet grade fort
auf seinen weisen Wegen;
er geht und bringt uns an den Port,
da Sturm und Wind sich legen.
Hernachmals, wenn das Werk geschehn,
so kann der Mensch alsdann erst sehn,
was der, der ihn regieret,
in seinem Rat geführet.
12. Drum, liebes Herz, sei wohlgemut,
und lass von Sorg' und Grämen!
Gott hat ein Herz, das nimmer ruht,
dein Bestes vorzunehmen;
er kann's nicht lassen ewiglich,
sein Innerstes ist ganz für dich
und uns hier allzusammen
voll reiner, süßer Flammen.
13. Er glüht und brennt von Gnad und Treu,
und also kannst du denken,
wie seinem Mut zumute sei,
wenn wir ihn oftmals kränken
mit so vergebner Sorgenbürd',
als ob er uns nun gänzlich würd'
aus lauter Zorn und Hassen
ganz hilf- und treulos lassen.
14. Das schlag hinweg und lass dich nicht
so leicht, so schwer betören;
obgleich nicht allzeit das geschicht,
was Freude kann vermehren:
so wird doch wahrlich das geschehn,
was Gott, dein Vater, ausersehn;
was er zu dir will kehren,
das wird kein Mensch verwehren.
15. Tu als ein Kind und lege dich
in deines Vaters Arme,
bitt ihn und flehe, bis er sich
dein, wie er pflegt, erbarme:
so wird er dich durch seinen Geist
auf Wegen, die du jetzt nicht weißt,
nach wohlgehaltnem Ringen
aus allen Sorgen bringen.
Paul Gerhardt, bearbeitet, in: Johann Peter Lange,
Deutsches Kirchenliederbuch, 1843, Lied 605.