Christ My Song - 253
O wie sehnt ich mich vor alters - Einst und jetzt
(Carl Johann Philipp Spitta/Johannes Thomas Rüegg)
Einst und jetzt.
1. O wie sehnt ich mich vor alters
nach verschwundner Herrlichkeit,
alle Klänge meines Psalters
galten einer fernen Zeit;
bis zu unbekannten Fernen
lag mein Leben ausgedehnt,
zu den Sonnen, zu den Sternen
hab ich weinend mich gesehnt. PDF - Midi
2. Träumend hört ich sanfte Flöten,
Sturmgeheul, wenn ich erwacht;
träumend sah ich Morgenröten
und erwachend schwarze Nacht.
Träumend ich im Paradiese
selger Unschuld mich verlor,
doch erwacht ich, stand ein Riese
mit dem Flammenschwert davor.
3. Und wie ward ich so ein andrer,
seit ich Christi Liebe fand!
Freudig zieh ich wie ein Wandrer
nach dem lieben Vaterland.
Keine Rosen auf dem Hute,
keine Dornen in der Brust,
pilgre ich mit stillem Mute
durch des Lebens Leid und Lust.
4. Wie ein Friedhof ist mein Leben,
wo auf Gräbern Blumen blühn,
und die Vögel seh ich schweben,
singend hin gen Abend ziehn.
Und der Kindheit liebe Bilder
treten freundlich hell dazu,
wiegen, immer sanfter, mildrer,
schon des Wandrers Herz in Ruh.
5. Mutig, mutig vorwärts, Sänger!
Weit hinaus dein Weg sich zieht;
wenn die Schatten werden länger,
singst du froh dein Abendlied.
Guten Abend! guten Abend!
Ach, das ist ein schöner Gruß,
dem ja immer still und labend
Pilgers Ruhe folgen muss.
6. Und dann sing noch einmal wieder,
sing in süßen Schlaf dich ein,
denn das schönste aller Lieder
muss zuletzt gesungen sein.
Sieh, die lieben Engel stehen,
hören selbst dem Liede zu;
"Auferstehn, ja auferstehen,"
heißt das Lied, "nach kurzer Ruh!"
Carl Johann Philipp Spitta, Nachgelassene geistliche Lieder, 1862, 1-3.