Christ My Song - 450
So ist auch diese Last getragen - Am Schlusse einer schweren Zeit (Meta Heusser-Schweizer/Johannes Thomas Rüegg)
Am Schlusse einer schweren Zeit.
1. So ist auch diese Last getragen,
auch dieses saure Werk vollbracht!
Der Dornenkranz von dunkeln Tagen
sinkt still in des Vergessens Nacht.
Wie wohl ist mir! – ein süßes Sehnen
nach der Vollendung Himmelsruh
deckt tausend Wunden, tausend Tränen
mit mildem Flügel heilend zu. PDF - Midi
2. Und Dank und Liebe schwellt aufs Neue
die Brust, von langem Seufzen matt;
dich will ich preisen, ewge Treue,
die bis hierher geholfen hat!
Du hilfst hindurch zur sichern Küste,
wenn Wogen brausen um und an,
und führst durch wasserlose Wüste
dein armes Volk nach Kanaan.
3. O Sabbatstille, Kind der Gnade,
Quell, der im Paradiese fließt,
der nach druchwalltem heißen Pfade
sich in des Pilgers Brust ergießt!
Die Wolke deckt den Himmel nimmer,
zum Ziele dringt der freie Blick;
verklärend fällt ein lichter Schimmer
auf die durchweinte Bahn zurück.
4. So habe Dank, Herr, Ewigtreuer,
dass du mein Leid mir nicht gespart,
dass du dich in der Läut'rung Feuer
dem Herzen neu geoffenbart!
Vergib, dass ich mich sträuben wollte,
dass ich, wie mich das Kreuz gedrückt,
nicht froh gehorsam, wie ich sollte,
mich deiner leichten Last gebückt.
5. Vergib, dass ich in Nacht und Nöten,
verzagt an meines Gottes Sinn,
statt treu zu wachen und zu beten,
vor Traurigkeit entschlafen bin.
Doch meines Hirten Auge wachte,
mein Priester betete für mich,
und eh mein Gram dich nahe dachte,
erblickt ich deine Huld und dich.
6. Was bangt es doch dem schwachen Herzen?
Was zittert es vor Kampf und Leid?
Das Leben bricht aus Todesschmerzen,
des Friedens Quell aus heißem Streit.
Des Gnadenbundes lichter Bogen,
der Gottes Thron und uns umstrahlt,
er ist auf dunkeln Grund gezogen,
in fliehendes Gewölk gemalt.
7. Die höchste, tiefste Himmelswonne,
die einst das größte Herz durchdrang,
als früh im Strahl der Ostersonne
das Felsengrab des Siegers sprang, –
sie war der Todesnacht entstiegen!
Dem Garten der Verklärung nah,
sah noch der Fürst des Lebens liegen
den blutbeträuften Golgatha.
8. Wie war dir, als vom Ölbaumhügel,
wo dir der Stunden bängste schlug,
dich, Heiland, der Vollendung Flügel
hinauf zum Thron des Vaters trug?
Warfst du den Blick mit süßem Schauer
noch einmal auf die Leidensbahn,
die uns aus tiefer Erdentrauer
zur Brücke wurde himmelan?
9. Wohl anders, Heilger Gottes, blicket
das arme Menschenherz zurück:
erlassner Schulden Schmerz durchzücket
noch der Vollendung süßes Glück.
Doch du vermagst, das Weh zu heilen:
du hast vollendet, hast versöhnt,
um ganz den Sieg mit uns zu teilen,
der deinen reinen Kampf gekrönt.
10. O führe fort und fort auf Wegen,
die deiner Schritte Spur geweiht,
dem Feierabend mich entgegen,
dem Sabbat stiller Ewigkeit!
Mein Leben bleibe festgebunden
an deiner Liebe sanfte Zucht;
gönn immer mir nach heißen Stunden
ein "Hernach" mit der Friedensfrucht.
11. Und blick ich bald zum letzten Male
zurück auf meiner Wallfahrt Graun,
dann lass mich hell im Gnadenstrahle
die Himmelsleiter drin erschaun!
Will meine Ruh der Schmerz durchbeben,
dass ich oft fiel in dunkler Nacht,
so trage mich ins ewge Leben,
mein Heiland, dein "Es ist vollbracht!"
Meta Heusser-Schweizer, Gedichte, 1898, 101-105.