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Hymn score of: So jemand spricht: ich liebe Gott! - Die Liebe des Nächsten (Christian Fürchtegott Gellert/Johannes Thomas Rüegg)

Christ My Song - 1898

So jemand spricht: ich liebe Gott! - Die Liebe des Nächsten
(Christian Fürchtegott Gellert/Johannes Thomas Rüegg)

Die Liebe des Nächsten.

1. So jemand spricht: ich liebe Gott!
  und hasst doch seine Brüder,
der treibt mit Gottes Wahrheit Spott,
  und reißt sie ganz darnieder.
Gott ist die Lieb, und will, dass ich
den Nächsten liebe, gleich als mich. PDF - Midi

2. Wer dieser Erden Güter hat,
  und sieht die Brüder leiden;
und macht den Hungrigen nicht satt,
  lässt Nackende nicht kleiden:
der ist ein Feind der ersten Pflicht,
und hat die Liebe Gottes nicht.

3. Wer seines Nächsten Ehre schmäht,
  und sie gern schmähen höret;
sich freut, wenn sich sein Feind vergeht,
  und nichts zum Besten kehret;
nicht dem Verleumder widerspricht:
der liebt auch seinen Bruder nicht.

4. Wer zwar mit Rat, mit Trost und Schutz
  den Nächsten unterstützet,
doch nur aus Stolz, aus Eigennutz,
  aus Weichlichkeit ihm nützet;
nicht aus Gehorsam, nicht aus Pflicht:
der liebt auch seinen Nächsten nicht.

5. Wer harret, bis, ihn anzuflehn,
  ein Dürftiger erscheinet;
nicht eilt, dem Frommen beizustehn,
  der im Verborgnen weinet;
nicht gütig forscht, ob's ihm gebricht:
der liebt auch seinen Nächsten nicht.

6. Wer andre, wenn er sie beschirmt,
  mit Härt und Vorwurf quälet,
und ohne Nachsicht straft und stürmt,
  sobald sein Nächster fehlet:
wie bleibt bei seinem Ungestüm
die Liebe Gottes wohl in ihm?

7. Wer für der Armen Heil und Zucht
  mit Rat und Tat nicht wachet;
dem Übel nicht zu wehren sucht,
  das oft sie dürftig machet;
nur sorglos ihnen Gaben gibt:
der hat sie wenig noch geliebt.

8. Wahr ist es, du vermagst es nicht,
  stets durch die Tat zu lieben;
doch bist du nur geneigt, die Pflicht
  getreulich auszuüben,
und wünschest dir die Kraft dazu,
und sorgst dafür: so liebest du.

9. Ermattet dieser Trieb in dir,
  so such ihn zu beleben.
Sprich oft: Gott ist die Lieb, und mir
  hat er sein Bild gegeben.
Denk oft: Gott, was ich bin, ist dein;
sollt ich, gleich dir, nicht gütig sein?

10. Wirt haben Einen Gott und Herrn,
  sind Eines Leibes Glieder;
drum diene deinem Nächsten gern;
  denn wir sind alle Brüder.
Gott schuf die Welt nicht bloß für mich;
mein Nächster ist sein Kind, wie ich.

11. Ein Heil ist unser Aller Gut.
  Ich sollte Brüder hassen,
die Gott durch seines Sohnes Blut
  so hoch erkaufen lassen?
Dass Gott mich schuf und mich versühnt,
hab ich dies mehr als sie verdient?

12. Du schenkst mir täglich so viel Schuld,
  du Herr von meinen Tagen!
Ich aber sollte nicht Geduld
  mit meinem Nächsten tragen?
Dem nicht verzeihn, dem du vergibst,
und den nicht lieben, den du liebst?

13. Was ich den Frommen hier getan,
  dem Kleinsten auch von diesen,
das sieht Er, mein Erlöser an,
  als hätt ich's ihm erwiesen.
Und ich, ich sollt ein Mensch noch sein,
und Gott in Brüdern nicht erfreun?

14. Ein unbarmherziges Gericht
  wird über den ergehen,
der nicht barmherzig ist, der nicht
  die rettet, die ihn flehen.
Drum gib mir, Gott! durch deinen Geist
ein Herz, das dich durch Liebe preist.

Christian Fürchtegott Gellert, Geistliche Oden und Lieder, 1855, 90-93.

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