Christ My Song - 454
Wie stehn sie da, der ewgen Allmacht Zeugen - Die Berge
(Meta Heusser-Schweizer/Johannes Thomas Rüegg)
Die Berge.
1825.
1. Wie stehn sie da, der ewgen Allmacht Zeugen,
die Berge Gottes hoch und hehr!
Wem sie in ihrer Herrlichkeit erschienen,
der sehnt sich leise hin, als ob von ihnen
nur noch ein Schritt zum Himmel wär! PDF - Midi
2. Früh, wenn der Kranz von Morgenrosen
ihr lilienweißes Haupt umkränzt,
und spät, wenn alle Täler dunkeln,
an ihrer Stirne, bis die Sterne funkeln,
der Sonne Abschiedslächeln glänzt;
3. dann wallt das Herz und wünscht sich Taubenflügel;
es will hinauf; es will empor,
wo goldne Wölkchen an den Bergen blühen,
die Felsen schimmern und die Gletscher glühen
bis an des ewgen Himmels Tor.
4. Was ist das wohl, was ist das mächt'ge Sehnen,
das in der Berge Anschaun reger glüht?
Es ist das Etwas, das im Menschenherzen
mit tiefer Ahnung süßer Schmerzen
empor, empor von niedrer Erde zieht.
5. Die Gottesmenschen liebten früh die Berge,
seit am Gebirge Ararat
den Ölzweig pflückte Noahs fromme Taube,
seit das Gesetz, das Licht und Recht im Staube,
vom Sinai der Herr verkündigt hat.
6. Mit Moses sprach er dort als seinem Freunde,
vom Nebo rief er ihn zu sich hinan;
von Bergen sang der hohe Gottvertraute,
der seine Burg auf Zions Felsen baute,
und auf Gilboa fiel sein Jonathan.
7. Auf dir, Morija, glänzte Gottes Tempel!
Zum Horeb rief den Gottesmann der Herr,
in sanftem Säuseln sich zu offenbaren;
und sie, die für die Welt zu köstlich waren,
in Bergen irrten sie verfolgt umher.
8. Und himmlischer, als vom Gesetzesberge,
erglänzte Gottes Herrlichkeit
auf Tabor, als in Menschenhülle
verkläret war der ewgen Gottheit Fülle
und der Versöhnung Seligkeit.
9. Auf Galiläas Bergen ging zu beten
der Menschensohn in stiller Nacht;
dort sprach er aus sein Selig und sein Wehe;
am Ölberg, in des bittern Kelches Nähe
hat er der Kämpfe heiligsten vollbracht.
10. Den großen Tod, durch den die Sünder leben,
starb er am Hügel Golgatha;
und als er heimging zu des Vaters Rechten,
des Lebens Fürst, verklärt aus Todesnächten,
von lichter Höhe schied er da.
11. "Um Salem her sind Berge!" sprach der Seher.
Auf ihren Auen sollen wir
das Lamm, das für uns blutete, einst sehen,
und klarer dann der Sehnsucht Trieb verstehen,
der aufwärts strebte für und für.
12. So seid mir denn in eurer Himmelsnähe,
ihr Berge Gottes, seid gegrüßt!
Ihr stummen Zeugen, dass die Frommen,
die Pilger einst zum Berge Zion kommen,
wo alles Heimwehs Heimat ist!
Meta Heusser-Schweizer, Gedichte, 1898, 6-8.